Charakteranalyse

Der Mensch Severus Snape - seine Stärken, seine Schwächen



Severus Snape - was erfahren wir über ihn? Er ist keine Schönheit - eine Hakennase, fahle Haut und unebene Zähne, dazu fettige Haare - nein, das klingt nicht sehr sympathisch.
Schon als Kind soll er "schmierig" (Lupin) gewesen sein - also eins von diesen aalglatten Bürschchen, vor denen man sich in Acht nehmen sollte. Denn schon als er nach Hogwarts kam, kannte er mehr Flüche als die Hälfte der Siebtklässler.
Und auch während seiner Schulzeit scheint er sich - zumindest bei James Potters Clique - nicht sehr beliebt gemacht zu haben.
Anderen hinterherzuspionieren ist offensichtlich nicht unter seiner Würde und es steht zu vermuten, dass er nichts lieber getan hätte, als der ganzen Schule zu erzählen, dass Remus Lupin ein gemeingefährlicher Wehrwolf ist.

Und auch als Lehrer würde es wohl niemandem außer den Slytherins einfallen, ihn als seinen Lieblingslehrer zu bezeichnen. Weder ist er ein guter Didakt, noch ein guter Pädagoge. Er macht kein Hehl daraus, dass er seine Schüler prinzipiell für Dummköpfe hält und lässt seine Frustrationen bevorzugt an dem Schwächsten aus, den er finden kann. Fast scheint es, als könnte er Neville Longbottoms Unsicherheit riechen - nur um sich dann auf den armen Jungen zu stürzen, wie ein Geier auf Aas.

Nein, wer nicht das Glück hat von Professor Snape bevorzugt zu werden, wie Draco Malfoy, der sollte sich lieber in Acht nehmen und sich besser nichts zu Schulden kommen lassen. Oder hoffen, dass etwaige Verwandte sich bisher noch nicht mit dem Meister der Zaubertränke angelegt haben, denn Severus Snape scheint ein Verfechter der Sippenhaft zu sein. Oder warum sollte er sonst Harry nachtragen, dass James Potter und seine Freunde ihm während seiner Schulzeit eins ausgewischt haben?

Oder steckt etwa mehr dahinter?

Es ist ja nicht nur so, dass er Harry nicht leiden kann, weil er James Potter nicht leiden konnte - er kann beide aus demselben Grund nicht ausstehen.
James Potter scheint einer von diesen sympathischen Menschen gewesen zu sein, die ohne Schwierigkeiten Freunde finden. Gehen wir davon aus, dass James Potter ein gutaussehender Junge war, offenbar ein begabter Zauberer und auch noch ein talentierter Quidditch-Spieler. Jemand, dem die Herzen zufliegen, ohne dass er sich anstrengen muss.

Und Harry schlägt offenkundig nach seinem Vater. Ein netter, freundlicher Junge, der leicht Freundschaften schließt und nicht nur ein halbwegs begabter Zauberer ist, sondern auch noch ein geborener Quidditch-Spieler. Doch das ist noch nicht alles - er ist auch noch berühmt, denn Voldermort war nicht in der Lage ihn zu töten und wurde sozusagen durch Harry entmachtet. Alle Welt mag ihn - ohne dass er etwas geleistet hat. Einfach so. Weil er lebt!

Auf der anderen Seite haben wir Severus Snape, der nicht so weit vorne in der Schlange stand, als das gute Aussehen verteilte wurde. Jemand, dem die Herzen nicht zufliegen. Ein talentierter Zauberer wird er schon sein - sonst wäre er wohl kaum Lehrer in Hogwarts - aber Severus Snape ist nicht jemand, dem die Massen zujubeln würden, selbst wenn er den Quidditch-Cup gewänne. Aber es ist nicht allein das Quidditch-Talent von James Potter oder Harrys Berühmtheit, dass sie Snape unsympathisch macht. Jemand wie Snape muss hart arbeiten, damit er die Anerkennung erfährt, die den Potters von allein in den Schoß fällt - und das ärgert ihn.

Wir haben hier also einen Mann, der sich zurückgesetzt und ungerecht behandelt fühlt und das schon, seit er ein Kind war.

Gleichzeitig lässt er nie einen Zweifel daran, dass man sich besser nicht mit ihm anlegt - wenn man nicht einen Fluch angehängt bekommen will. Warum kann ein 11-jähriger Junge mehr Flüche als die Hälfte der Kinder der Abschlussklasse? Es gibt nur eine Antwort: zur Verteidigung! Oder besser: zur Abschreckung. Man hat unwillkürlich den Eindruck, dass Snape immer in der Offensive ist. Ein falsches Wort oder gar ein Zeichen von Schwäche - der Mann wird es sich nicht entgehen lassen, seine Überlegenheit zu beweisen.

Das sagt etwas über ihn aus, nämlich, dass er Angst davor hat, angegriffen zu werden. Wie ein knurrender Hund hält er alles auf Abstand. Offensive ist besser als Defensive, scheint sein Motto zu sein. Lieber greife ich an, als selbst angegriffen zu werden. So handeln Menschen, die unsicher sind. Mit Severus Snapes Selbstwertgefühl scheint es also nicht allzuweit herzusein. Selbstbewusstsein hingegen, hat er genug. Er weiß, dass er ein fähiger Zauberer ist - aber warum erkennen das alle anderen nicht? Das wird er sich häufig gefragt haben, und aus diesem Gefühl wird der zynische Sarkasmus erwachsen sein, mit dem er die Welt um sich betrachtet.